Bei der Pränataldiagnostik im engeren Sinne geht es darum, das Erbgut des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft zu kontrollieren. Die häufigste Störung ist das sogenannte Down-Syndrom (Trisomie 21, früher als Mongolismus bezeichnet), bei welchem vom drittkleinsten Erbgutträger (Chromosom 21, im Bild rot markiert) in jedem Zellkern drei statt zwei Kopien vorliegen. Die Häufigkeit des Down-Syndroms hängt vom Alter der Mutter ab - berechnen Sie Ihr individuelles Risiko.
Pränataldiagnostik ist ein heikles Thema, welches Emotionen schürt und nicht immer rational diskutiert werden kann. Unsere als Kleinfamilie strukturierte Gesellschaft, in welcher intellektuelle Leistung belohnt wird, kann die Geburt eines schwer behinderten Kindes nicht immer befriedigend auffangen. Die werdenden Eltern haben grundsätzlich drei Möglichkeiten:
- Wir wollen sicher wissen, ob unser Kind punkto Erbgut gesund ist:
Fruchtwasserpunktion oder Chorionbiopsie durchführen lassen.
- Wir werden unser Kind akzeptieren, wie es ist:
Keine vorgeburtliche Diagnostik machen. Die Gesellschaft darf auf keinen Fall einen Druck ausüben, dass man Pränataldiagnostik machen sollte, um «unwertes» Leben zu verhindern.
- Wir sind noch unsicher:
Bluttest durchführen. Dieser ist einfach und risikolos, stellt aber keine sichere Diagnose.
Nackentransparenz (nuchal translucency)
Dieses relativ neue Hinweiszeichen (siehe eigene Seite) auf eine Erbgutstörung wird bei der Ultraschalluntersuchung zwischen der 11. und 14. Woche kontrolliert. In diesem Entwicklungsstadium ist es normal, wenn sich im Nacken ein dünnes Flüssigkeitspolster befindet (schwarzer Streifen, Dicke durch kleine rote Linie markiert). Ist die Nackentransparenz aber dicker als ca. 3 Millimeter, spricht dies für ein Problem des Lymphabflusses und ist verdächtig auf eine Erbgutstörung bzw. Fehlbildung.
Bluttest (aFP-Plus-Test, Ersttrimester-Test)
Seit einigen Jahren können aus der Verteilung bestimmter Schwangerschaftshormone im Blut der Mutter gewisse Schlüsse darüber gezogen werden, ob das ungeborene Kind ein Down-Syndrom hat oder nicht. Da nur eine Blutprobe der Mutter notwendig ist, ist die Untersuchung absolut ungefährlich; dafür liefert der Test im Gegensatz zur Fruchtwasserpunktion (nächster Abschnitt) keine Diagnose, sondern nur eine Zahl (Wahrscheinlichkeit). Diese Zahl wird mit dem bekannten altersabhängigen Risiko der Mutter verglichen. Der Test kann ab 10 (Ersttrimester-Test) bzw. 15 (aFP-Plus-Test) vollendeten Schwangerschaftswochen durchgeführt werden; das Resultat liegt innerhalb von 24-48 Stunden vor.
Beispiel: 35jährige Mutter, altersabhängiges Risiko 1 : 350
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Testresultat
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Interpretation
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1 : 2'100
"negativ"
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Down-Syndrom unwahrscheinlich, auf eine Fruchtwasserpunktion könnte verzichtet werden.
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1 : 80
"positiv"
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Down-Syndrom wahrscheinlicher als Altersrisiko, Fruchtwasserpunktion empfohlen. Die Krankenkasse wird die Untersuchungskosten übernehmen.
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1 : 400
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Testrisiko entspricht in etwa dem Altersrisiko. Der Bluttest hat uns mit anderen Worten nicht weitergeholfen, die Entscheidung zur Fruchtwasserpunktion bleibt offen.
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Die Amniocentese wird üblicherweise zwischen der 16. und 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Dabei werden mit einer dünnen Nadel die Fruchthöhle punktiert (angestochen) und ca. 12-15 ml Fruchtwasser abgesaugt. Das entnommene Fruchtwasser bildet sich in kurzer Zeit wieder neu. Die Punktion erfolgt unter Ultraschallkontrolle, so dass eine Verletzung des Kindes heute nicht mehr vorkommen sollte. Das Risiko einer Fehlgeburt nach Amniocentese beträgt höchstens 0,5% (1 auf 200) und muss gegen das individuelle Risiko einer Erbgutstörung beim Kind abgewogen werden.
Oben links: Schema der Fruchtwasserpunktion. Oben rechts: Gensonden-Schnellanalyse (FISH). Jeder farbige Punkt stellt ein Chromosom dar.
Nach der Punktion sollten Sie sich 24 Stunden schonen. Leichtes, menstruationsähnliches Ziehen und leichte Blutungen aus der Scheide können vorkommen; bei stärkeren Schmerzen oder Blutungen (sehr selten!) sollten Sie mich jederzeit kontaktieren (Notfall-Telefonnummer 044 421 21 21). Das Resultat erhalten Sie und ich nach 12-14 Tagen gleichzeitig per Post (bei Bezahlung eines Express-Zuschlags von 300 Franken kommt das Ergebnis der FISH-Analyse bereits nach 24-48 Stunden). Die Untersuchung kostet insgesamt gut 900 Franken und wird von der Krankenkasse nur bei erhöhtem Risiko (Alter der Mutter über 35, positiver aFP-Plus-Test, familiäre Belastung mit Erbkrankheiten) übernommen.
?? Für und Wider ??
Ob ein Bluttest und/oder eine Amniocentese sinnvoll sind, werden wir mit 11-13 Wochen in einem ausführlichen ärztlichen Gespräch diskutieren. Der werdende Vater ist - wie zu allen Kontrollen - herzlich dazu eingeladen. Entscheidend ist, dass Sie nach umfassender Aufklärung durch Ihren Arzt jene Untersuchungen machen lassen, die es Ihnen ermöglichen, für den Rest Ihrer Schwangerschaft ruhig zu schlafen.
Chorionbiopsie
Bei der Chorionbiopsie werden mit einer Nadel Zellen des Mutterkuchens (Plazenta) entnommen. Dies ist schon früher möglich als die Amniocentese (mit ca. 11 Wochen); das Resultat der Untersuchung ist aber etwas weniger sicher als jenes der Amniocentese, weil es in seltenen Fällen vorkommt, dass das Erbgut des Kindes und dasjenige der Plazenta nicht übereinstimmen. Die Untersuchung eignet sich vor allem für werdende Mütter, die bereits ein krankes Kind geboren haben. Die Chorionbiopsie führe ich nicht selbst durch, sondern überweise Sie an eine darauf spezialisierte Ärztin.